Fleischeslust und Emanzipation

In der Frittebud keinen Burger zu verzehren war die große Probe meines gestrigen Fastentages. Diese Burger sind einfach eine Offenbarung. Glücklicher Weise war die unfähige Bedienung da, so dass mir der Verzicht auf meinen geliebten Burger mit Feta-Käse erstaunlich leicht viel – schließlich hat mir diese Dame, mit ihrem Hang zum Vergessen und Durcheinanderbringen, schon mehr als einmal den Genuss zerstört. Und bei dem Gedanken an den ersten Burger nach 40 Tagen Enthaltsamkeit gerät mein Körper in Wallung. Wieso aber faste ich überhaupt Fleisch? Klingt zunächst aufgesetzt und übertrieben, nicht wahr? Nun, der Konsum von Fleisch ist für mich ein Sinnbild der Triebhaftigkeit des Menschen, für das Animalische, das den Geist vernebelt und die Gedanken verwirrt, die Konzentration schwächt und den Menschen auf seine Leiblichkeit reduziert. Dem will ich mich entziehen.

Ob ich nun auch sexuell enthaltsam leben werde, wurde ich gefragt. Ehrlich gesagt, habe ich das tatsächlich in Erwägung gezogen – ist es doch für eine Frau nicht sonderlich schwer nicht enthaltsam zu sein; einen Mann, der Sex will, findet man schließlich immer. Die Herausforderung fehlt also – und macht es dann noch Spass? Was treibt eine Frau dazu sich hemmungslos in sexuelle Abgründe zu stürzen? Ist promiskuitives Verhalten nicht auch Rebellion? Reduziert man sich nicht als Frau, wenn es einem nur um Sex geht? Laut den Heiligen der True Love Revolution macht vorehelicher Sex nicht nur depressiv, sondern auch beziehungsunfähig – gar unfähig zu lieben. Nun sehe ich den kritischen Gedanken dahinter als durchaus valide an. Viele Frauen übernehmen sich mit dem Gedanken freimütig zu vögeln. Ihnen wird das Bild vermittelt, das Frau von Welt nun also Affären hat – keine Beziehungen – und das, obwohl sie eigentlich keinen Sex, keinen mechanischen Orgasmus, sondern Nähe, Zuneigung und Wärme wollen. Die Wunden, die dann entstehen, sind oft irreparabel und können durchaus die Bindungsfähigkeit zerstören. Sind Frauen die Opfer dieser pornographisierten, modernen, ja kalten Welt?

Sex und Liebe unterscheiden zu können, ist die große Aufgabe vor der sich die Menschen sehen – nicht nur Frauen. Ich kann hormonell verrückt nach jemandem sein – das bedeutet nicht, dass ich ihn mag oder mich für ihn interessiere, mich um ihn bemühe oder möchte, dass es ihm gut geht. Andersrum kann ich jemanden aufrichtig, mit ganzem Herzen und bis zum bitteren Ende lieben ohne das Bedürfnis zu haben Körperflüssigkeiten auszutauschen. Das zu unterscheiden ist eine große Aufgabe, der ich persönlich schon sehr nah‘ gekommen bin – zum Glück. Dementsprechend kann das Sex-Leben auch sinnvoll strukturiert werden. Wenn ich liebe, dann liebe ich; wenn ich hormonell aktiviert bin, dann lebe ich das aus. Wenn beides zusammen kommt, dann bin ich aufrichtig erfüllt und glücklich. Verknallt sein bedeutet nicht verliebt sein bedeutet nicht lieben.

Frauen haben heutzutage in der westlich-modernen Welt alle Möglichkeiten, sie werden rechtlich nicht mehr diskriminiert und dürfen sich ebenso frei entfalten wie Männer. Zu verdanken haben wir das vor allem den Feministinnen – Freiheitskämpferinnen, wie ich sie bezeichnen will. Sie kämpften für die Rechte der Frau und bekamen sie – zum Glück. Doch anstatt diese Freiheit nun zu nutzen, eben nicht von einem Mann abhängig, sondern eigenständig und selbstbestimmt zu sein, stürzen sich viele Frauen in Affären, krankhafte, manchmal sogar nicht-sexuelle, Beziehungen oder in den obwohl-Modus: Obwohl ich weiß, dass ich anderes will als er, gebe ich mich dem hin und täusche vor, dass ich mit dem was ist zufrieden bin – sei nun ich oder er der schwache Teil. Und warum? Um eine Struktur zu haben? Um nicht allein sein zu müssen? Um sich geliebt zu fühlen ohne geliebt zu werden? Um Papis Liebe doch noch zu erhalten? Nach all den Jahren des Kampfes um die Selbstbestimmung, die Emanzipation der Frau, schaffen es die meisten Frauen nicht sich dieser Freiheit zu stellen und sie zu nutzen. Meinen eigenen Kampf gegen dieses Syndrom habe ich schon vor langer Zeit begonnen, denn vollkommen freisprechen kann ich mich von diesen Mechanismen leider auch nicht. Mehr jedoch als die meisten Frauen sehe ich mich zumindest auf dem richtigen Weg und wie schon Schiller richtig bemerkte: „Wo viel Freiheit, da viel Unsinn!“