Politik und Politiker (Isch kandidiere)

Am kommendem Samstag stelle ich mich zur Wahl als Bundesvorsitzende der Piraten. (Hint: Ich kandidiere auch als Beisitzerin.) Neben sehr viel Respekt und Demut, Freude und Aufregung, die mich zur Zeit erfüllt, möchte ich an dieser Stelle konkret benennen, was ich für Schwerpunkte in meiner potentiellen Amtszeit setzen möchte. Im Wiki habe ich das bereits mal erörtert, aber so ein Blogpost wird irgendwie mehr wahr genommen. Also anbei:

Effektive Positionsfindung

Effektive Positionsfindung setzt sich für aus zwei Aspekten zusammen:

1. Legitimer Ort der Positionsfindung außerhalb von Parteitagen.

Mir geht es bei der Debatte nicht um Liquid Democracy oder sogar LQFB als Selbstzweck. Mir geht es darum, dass die inhaltliche Hoheit der Partei bei den Mitgliedern bleibt. Das wird mit zunehmend mehr Mandats- und Amtsträgern schwierig, besonders, wenn nur ein BPT im Jahr über Inhalte zu befinden hat. Um diese Kluft zwischen (kommenden) Berufspolitikern und Ehrenamtlern zu schließen, brauchen wir einen virtuellen Ort der demokratischen Abstimmung.

Deswegen bin ich Fan von Liquid Democracy, weil es die repräsentativen und direkten Elemente einer Demokratie vereint und eine echte Mitgliederdemokratie in der Partei ermöglicht. (Hoffentlich ;))

Wie wir das gestalten ist mir richtig egal. Das soll schön die Partei entscheiden.

Folgende Fragen gilt es dabei, meiner Meinung nach, zu beantworten:

  1. Wie akkreditieren wir die Mitglieder im System?
  2. Wie gehen wir mit dem Dilemma der „geheimen Abstimmung“ um? (Interessanter Ansatz hier: http://benjamin-siggel.eu/2012/04/03/die-geheime-und-nachprufbare-virtuelle-piratenversammlung/#comment-760 und http://tirsales.de/blog/tirsales/2012/03/08/kurz-notiert-kegelklub-genderumfrage-und-erste-medienberichte )
  3. Wie machen wir es maximal manipulationsunanfällig?
  4. Wie gehen wir mit Delegationen um? (Ganz allgemein. Gute Ansätze hier: http://andipopp.wordpress.com/2012/04/02/discrete-democracy-ein-vorschlag-zur-weiterentwicklung-von-liquid-democracy/)
  5. Wie gehen wir mit den Ergebnissen aus dem System um (Beispiel: Positionspapiere in unseren Kerngebieten, die mit 2/3 abgestimmt werden, könnten offiziell Parteimeinung sein, auch ohne BuVo-Beschluss. Opt-out, statt Opt-in quasi)

2. Tagesordnungen auf den BPTs

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die TOs immer wieder vernachlässigt wurden, was oft zu sinnlosen Episoden auf den BPTs geführt hat. Die TOs sind das Herzstück des BPTs und haben bisher deutlich zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Das will ich ändern. Wie? Ich glaube, dass der Prozess folgende Säulen haben muss:

  1. Breite Diskussion über die TO
  2. Umfrage darüber, welche Themen wichtig sind
  3. Verschiedene TOs mit unterschiedlichen Schwerpunkten erarbeiten
  4. TO-Vorschläge vom Vorstand und von Mitgliedern
  5. Aussortieren von TOs durch LQFB/Antragsfabrik/neues Tool/ I really don’t care
  6. Abstimmung der TO auf dem BPT – minimale Diskussion

Reihenfolge stelle ich mir so vor:

  1. Lime-Survey-Umfrage mit einer Gewichtung der Themenschwerpunkte
  2. Veröffentlichung und anschließender Aufruf TO-Vorschläge einzureichen.
  3. Veröffentlichungen von TOs, die der Vorstand erarbeitet hat. (circa 3) Zu diesem Zeitpunkt sollten bereits TOs von Mitgliedern erarbeitet worden sein, idealer Weise basierend auf der Lime-Survey-Umfrage. Online-Abstimmung, so dass 2 Wochen vor bpt TOs zur Auswahl stehen.
  4. Abstimmung die eingereichten TOs
  5. BPT stimmt über die 5 Gewinner-TOs ab

Rahmenbedingungen für Vorstands-TOs:

Antragskommission, die eine Vorabauswahl trifft
Schwerpunkt auf Wahl- und Grundsatzanträgen
Ausgewogene Themensetzung im Spannungsfeld Kernthemen und erweiterte Themen

Begründung: Viele Anträge sind Positionspapiere, die niemand gelesen hat. Auch erscheint es sinnvoll, dass der Vorstand Vorschläge macht für eine TO, diese jedoch mit den Mitgliedern frühzeitig erarbeitet. Bei eienr Frist von 4 Wochen ist das sehr schwer, jedoch macht es Sinn, dass der Vorstand die Mitglieder in den Prozess einbindet,obwohl ihm die Entscheidungshoheit obliegt eine TO vorzuschlagen.

Viele Texte und Anträge sind bereits gestellt worden und werden wieder gestellt werden. Die Antragskommission kann also auf eine Fülle an Anträgen zurückgreifen, die von Mitgliedern erarbeitet worden sind. Diese sollten genutzt werden. Und ja, ich weiß, dass die Frist 4 Wochen beträgt, was ein Problem ist. Aber meistens werden ja die gleichen Anträge wieder und wieder gestellt 🙂

Repräsentation nach außen

Erfahrungsgemäß wird ein nicht unwesentlicher Teil der medialen Aufmerksamkeit auf den Vorsitz gerichtet sein.(Und wahrscheinlich auch auf mich als Beisitzer) Abgesehen davon, dass ich selbst nicht rund um die Uhr in den Medien vertreten sein will und gerne viele Köpfe sehen möchte, die sich thematisch in unterschiedlichen Themen wirklich gut auskennen, ist es mir wichtig, dass die Themen, die wir haben, deutlicher kommuniziert werden. Ja, wir haben vielleicht keine Position zur Transfergesellschaft für Schlecker – wir haben aber eine ganz klare Position zu Hartz4 und fordern konkrete Reformen. Wir haben kein vom BPT-legitimiertes außenpolitisches Profil, aber wir haben Grundwerte, die uns gebieten, dass wir den Menschen in Afghanistan die Möglichkeit geben wollen über ihre eigenen Belange zu entscheiden. Den Plan dafür möchte ich übrigens gerne mal von anderen Parteien lesen. Wobei mir das Bekenntnis dazu schon mal reichen würde.

Mir geht es konkret darum die Meinung der Partei und die Meinungsvielfalt sichtbarer zu machen. Wir diskutieren über jedes erdenkliche Thema (man denke nur an Zoophilie!) mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und das möchte ich deutlicher nach außen kommunizieren.

Achja, und das mit der Abgrenzung zu Rassismus und Sexismus, kann ich glaube ich ganz gut 🙂

Internationale Kooperation/Vernetzung/Weltrevolution

Die Europawahl liegt vor uns und es erscheint sinnvoll erste Grundlagen zu legen für ein Europaweites System, wo unverbindlich Texte und Positonen erarbeitet werden können. Was haben die europäischen Piraten gemeinsam? Welche Positionen können wir uns gemeinsam auf die Fahne schreiben? Das wird ein harter und schwieriger Prozess, aber wir wären die erste paneuropäische Partei!

In Prag wurde der erste Grundstein für ein gemeinsames Programm gelegt, jedoch ist es wichtig, dass wir an diesem Prozess maximal viele Menschen beteiligen – und das geht virtuell einfach am besten 🙂

Abgesehen davon brauchen viele Piraten außerhalb Deutschland unsere Hilfe beim Aufbau der Organisationen. Ein Patensystem würde sich hier anbieten. Die Wahlen 2014 entscheiden nicht nur über Europa, sondern auch über die Welt.

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Ich denke, dass ich damit schon ausgelastet bin. Grundsätzlich finde ich es wichtig, das Thema Stiftung vorranzutreiben und die innerparteiliche Expertise zu schärfen.

Anbei nun ein paar Fragen, die ich heute einem Journalisten beantwortet habe, die euch aber auch interessieren dürften:

Sollte die Amtszeit des Bundesvorsitzenden verlängert werden? Wenn ja, wie lang sollte sie künftig sein?
Eine Verlängerung der Amtszeit des Bundesvorstands halte ich für falsch. Jedoch finde ich es sinnvoll, wenn im Jahr 2013 der BuVo erst nach der Bundestagswahl gewählt wird, so dass wir vor der Bundestagswahl 2013 zwei Programmparteitage zur Verfügung stehen haben. Dafür braucht es aber keine Satzungsänderung, sondern lediglich ein Meinungsbild auf dem Parteitag und einen Beschluss des Bundesvorstands.

Die Satzung sagt nämlich dazu: § 9a (3) Die Mitglieder des Bundesvorstands werden vom Bundesparteitag mindestens einmal im Kalenderjahr gewählt. Der Bundesvorstand bleibt bis zur Wahl eines neuen Bundesvorstands im Amt.

Das heißt, dass der Bundesvorstand die Amtszeit um ein paar Monate verlängern kann, was in diesem Fall zu Gunsten der inhaltlichen Arbeit sinnvoll erscheint. Letztlich muss jedoch der Bundesparteitag dazu befragt werden.

Soll der Bundesvorsitzende künftig eine Vergütung/Aufwandsentschädigung bekommen?
Die Amtsinhaber des gesamten Bundesvorstands sollten sich nicht verschulden müssen und ohne Extrakosten das Amt führen können. Wichtiger erscheint aber, dass die Verwaltung und die IT erstmal Geld bekommen. Dann wären die BuVos auch entlastet. Eine Bezahlung würde das Amt von Mandaten unabhängig machen, was durchaus ein sinnvoller Punkt ist. Grundsätzlich muss das aber von den Mitgliedern entschieden werden.
Wenn nicht, könnte im Falle eines Einzuges in den Bundestag die Arbeit weiter von einem ehrenamtlichen Vorsitzenden erledigt werden?
Ich halte eine Trennung von Amt und Mandat für sehr wichtig.
Was sollte sonst strukturell getan werden, um die Arbeit des Bundesvorstandes zu verbessern?
Verwaltungsarbeit und ein Bundesvorstandssekreteriat bezahlen.

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So zuletzt bleibt mir noch zu sagen, dass ich schon viele Helfer für meine Ideen habe und denen auch schon mal danke 🙂

Freue mich auf Neumünster. Alles wird gut.