Arendt und Privatsphäre

Das Politische ist das Resultat des Handelns, also etwas zwischenmenschliches, ja abseitig von den Menschen vorhandenes, jedoch nur in ihrem Tun entstehbar. Denn ich bin nur in der Wahrnehmung anderer. Schon Kant erkannte (!) und erarbeitete die Subjektivität und dadurch die Pluralität der Menschen in ihrer Wahrnehmung und somit ihrem Sein. Ich bin, weil ich erscheine war die logische Konsequenz, die unter anderem Hannah Arendt daraus zog (Ja, auch Heidegger, aber der hat von Husserl abgeschrieben und war ein Freund der Nationalsozialisten). Der alte Dualismus zwischen selbstbestimmten Subjekt und objektiver Umgebung wurde aufgehoben und die Menschen als das verstanden was uns oftmals zuwider ist: Produkt von zwischenmenschlicher Wahrnehmung. Nicht zuletzt deswegen ist Anerkennung eine mächtige Währung.

Das Politische entsteht nun im öffentlichen Raum, in dem alle gleichwertig sein müssen, was die Aufgabe der Politik ist, denn der Sinn von Politik ist einen Raum zu schaffen, wo Freiheit entsteht.

Konträr zu der Idee des öffentlichen Raumes steht die Privatsphäre. Dort entsteht Liebe, Freundschaft, Vertrauen, aber auch Zwang. Dieser Raum unterliegt der Geheimhaltung, der freien Gestaltung und darf, nach Arendt, nicht politisiert werden – das Private darf eben nicht zum Politischen erhoben werden! Freiheit in der Privatsphäre ist kein Anliegen des Staates oder der Gesellschaft, sondern Anliegen des Einzelnen. Die Definition der Freiheit im Privaten obliegt dem Betroffenen und ein Rückzug muss diesem immer zur Verfügung stehen.

Der Raum des Öffentlichen, also die Umgebung des Politischen, ist dagegen nicht nur notwendiger Weise im Bewusstsein der Gleichwertigkeit (nicht Gleichartigkeit!) der Beteiligten, sondern auch absolut zugänglich, sowohl informationell, als auch physikalisch.

Arendt bedient sich zur Veranbschaulichung dieser Teilung der griechischen Polis: Der attische Bürger war gleich in der agora, dem Ort der politischen Auseinandersetzung in der Polis, war ebenbürtig und dadurch frei. Im oikos, dem privaten Heim, war er, der Tyrann über Frau, Kinder und Sklaven, dagegen nicht frei, da er nicht ebenbürtig auftreten konnte. Herrschaft und Unterdrückung bedeuten eben nicht automatisch Freiheit, ganz im Gegenteil ist der Mensch nur unter Freien gleich, denn nur unter Gleichen kann er frei reden. Und nur wenn er frei reden kann, kann er vertrauen. Dann jedoch ist er erst wirklich frei.

Ein Rückzug ins Private muss immer möglich sein, bedeutet jedoch keinen Einfluss auf das Öffentliche haben zu können.

 


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