Feminismus und Männlichkeit

Nach meinem sehr umstrittenen Artikel bei Telepolis, wo ich provokative Aussagen in den Raum stelle, erreichte mich nun diese Nachricht. Ich finde sie trifft viele gute Punkte und ist schön geschrieben – auch die Kritik an mir bzw. meiner Art zu schreiben ist gut getroffen. Nach Absprache mit dem Autor, werde ich sie hier veröffentlichen -unter cc-by-sa. Viel Spass und beantwortet ihm doch auch nochmal, was er sich so fragt 🙂

Sehr geehrte Frau Schramm,

ich bin Informatikstudent und habe vor ungefähr einer Woche Ihren Beitrag „Einfach mal zuhören“ auf Telepolis gelesen. Seitdem beschäftigt mich das Thema intensiv. Ich gehöre vermutlich selbst zu diesen beschriebenen „Nerds“ und auch ich habe mit dem Begriff „Feminismus“ meine Probleme – ohne die Bewegung abzulehnen. Aber vielleicht würde sich die Frauenbewegung gut darin tun, auch den Männern etwas Aufmerksamkeit zu geben. Ich spreche nicht von „Männerquoten“ als Gegenzug zu Frauenquoten, sondern von dem Problem ein „schwacher“ Mann zu sein. Entweder liege ich mit meinen Annahmen völlig falsch oder ist es wirklich ein Ansatz, der dem Feminismus gänzlich fehlt. Um das zu sagen fehlt es mir leider an Wissen und Zugang zu der Bewegung, darum schreibe ich. Im folgenden spreche ich hauptsächlich aus eigener Erfahrung, aber ich hoffe sie trägt dem Verständnis für das Problem bei.

Beim Lesen des Artikels fühlte ich mich beinahe persönlich angesprochen. Sowohl „Demütigungen in der Pubertät“, als auch insbesondere „die eigene Unfähigkeit, mit Frauen so umzugehen, dass sie einen nicht mit dem Prädikat ’nett‘ abbügeln“ sind mir durchaus bekannt. Auch ich wurde schon immer von Frauen als „netter Typ“ abgestempelt. Ich verstehe den Frust darüber nur zu gut. Man umwirbt eine Frau, geht dabei von einem modernen Rollenbild aus, scheitert und beobachtet den „Arschloch-Macho-Typen“ beim Erfolg an der Umworbenen. Ich sehe das Problem aber nicht im Frust über derartige Situationen, sondern darin, dass auch dem Mann noch eine äußerst schwere Rollenlast anhängt. Die Behauptung, diese Nerds lehnen Feminismus ab, weil sie einfach frustriert seien erinnert mich übrigens sehr an den haltlosen Vorwurf, die Feministinnen seien nur enttäuschte Frauen, die keinen abbekommen hätten.

Wenn es im Feminismus um die freie Wahl der Identität geht, warum sollte der Mann dann nicht die schwächere Rolle wählen dürfen? Es ist nicht leicht als Mann vor anderen Männern, aber auch insbesondere vor Frauen dazu zu stehen, dass man nicht gerne die Männerklischees erfüllt. Es ist schwer, wenn man nicht der muskulöse, beschützerhafte, coole Typ ist – sondern ein zurückgezogener, körperlich auch vielen Frauen unterlegener Nerd. Es ist schwer unter Männern mit zu reden, wenn man nicht die Frau als Lustobjekt sieht, sondern wenn man sich einfach selbst hingeben möchte um sie glücklich zu machen. Wenn man sich eine starke Frau wünscht, die sich holt was sie will. Ja, solche Männer gibt es. „Sissy“, „Schwuchtel“, „Schwächling“ wird man genannt. Für mich ist es auch nicht ungewöhnlich von einer Frau „Sei doch mal ein Mann!“ zu hören. Für viele scheint es schwer verständlich, dass man als Mann heterosexuell ist, zu seinem biologischen Geschlecht steht, aber nicht die starke Männerrolle einnehmen möchte.

Ich unterstütze auf keinem Fall Anti-Feminismus. Warum auch, ich sehne mich nach einer starken Frau. Ob man es nun Equalismus, Feminismus oder sonst irgendwie nennt, es wäre schön wenn auch Männern die Wahl ihrer Identität leichter gemacht würde. Wenn sie eine Anlaufstelle hätten und sich nicht ganz allein mit ihrem Schicksal fühlen – oder sogar pervers, weil andersartig. Für mich war es ein langer und schwerer Weg das zu erkennen und noch schwerer dazu zu stehen. Männer unterliegen einem festen Rollenbild – und nicht wenige leiden darunter. Wenn wir es schaffen, dass sie leichter dazu stehen können, dann hat die Gleichberechtigung für mich einen großen Schritt geschafft.

Gruß,

Florian S.