Dackelkriege und Reflektionen

oder: Pseudo-Autobiographien sind das neue Schwarz.

Dieser Tage schickte mir Ada Blitzkrieg ihr Debut “Dackelkriege – Rouladen und Rap” als Rezenzionsexemplar. Ein Buch, das im Eigenverlag erscheint, als eBook. Weitere Infos findet ihr hier: http://textkrieg.de/pages/dackelkrieg
Vielleicht erscheint es noch als gedrucktes Buch. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls erscheint es auf den Tag genau drei Monate nach meinem Buch. Montag, der 17. Zeit für ein paar Worte, um die ich schon lange ringe, für etwas Werbung und eine Verpflichtung für den Mut zum neuen Geschäftsmodell.

Ada Blitzkrieg hat einen Roman geschrieben, der von einer zugezogenen Berlinerin handelt, die dazu beiträgt die Mieten zu versauen. Durchzogen von einem halb-rebellischem Leben in der suburbanen Hölle zur Mitte der 90er Jahre – Abhängen am Busbahnhof, Angst vor Pferden und zuviel Mutterliebe inklusive – lässt sie uns an ihren Gedanken teilhaben, die uns in Fetzen bereits jeden Tag auf Twitter zu Teil werden, und reflektiert ihre Pubertät.

Alles erscheint mir sehr bekannt, denn auch ich wuchs auf zwischen Frankfurt und Köln, irgendwo da halt, wo der Bus nur einmal in der Stunde fährt und das auch nur bis 8. Die Freunde sind eher Jungs ™, denn die Mädchen ™ reden irgendwie nur von dem, was sie Liebe nennen. Nur die Reformhausmutter war immer die der anderen. Sehr präzise galoppiert der Text durch den Konsumterror zwischen Center Schock und Inline-Skates, um am Ende der völligen Überforderung im Berliner Supermarkt zu erliegen. Zwischen frischer Ziegenmilch und Hipstern. Das Buch ist nicht zuletzt eine Liebeserklärung an Berlin. Und diese Liebe fand ihren Anfang in der Faszination von verwöhnten 80er-Jahre Landgören für den Zerfall, für das Morbide. Für das Irre.

Das Buch ist wie @bangpowwws Tweets: Schrill und in einem metamodernen Jargon, gespickt mit Fäkalsprache und einer immer wohltuenden Tiefe. Außerdem hat sie es irgendwie mit Tieren, was ich einfach gar nicht nachvollziehen kann. Wobei – sie redet mit Tieren, ich rede mit früheren Versionen meiner selbst. Auch irgendwie animalisch. Animalisch rechnet sie dann auch mit der Netzgemeinde ™ ab. Und ich lache dabei sehr laut. Also innerlich, weil ich das Buch im Zug lese. Die leisen Töne sind sowieso die Stärke des Buches. Poetisch beschreibt sie den Grad der Zerstörung unserer Gesellschaft, ohne dabei zu einem dieser peinlichen Kulturpessimisten zu werden, die hochtrabend in gedruckten Zeitungen kleine Bröckchen über den Untergang des Abendlandes kotzen, um sie bei der privaten Eigenlektüre selbstgefällig wieder zu futtern.

Bei Ada weißt du zum Glück nie, was sie ernst meint, was fiktiv ist und was real. Pseudo-Autobiographien sind das neue Schwarz. Und vielleicht ist die Identifikation mit dem Zusammenhang von Golden Toast und Depressionen doch generationenspezifisch. So wie Saurer Apfel, Nick Carter und das tattrig-wohlige Gefühl beim Gedanken an Ernte23 und lila-türkise Jogginganzüge.

Ada schrieb mir, dass sie stolz sei auf ihr Buch, weil es ihr Baby sei, ihr Werk, ganz ohne Verlag, ohne Einmischung, mit totaler Kontrolle – ganz einfach ihr Buch. Auch etwas, was vielleicht generationenspezifisch ist – Kontolle, Autarkie und Multifunktionalität. Die radikale Individualisierung in digitaler Buchform. Doch natürlich hinterließen mich diese Zeilen grübelnd und ich fragte mich, inwiefern ich zu meinem Buch eine ähnliche Bindung habe. Und ich musste erkennen, dass ich diese nicht habe, ja ich glatt traurig und neidisch bin diesen Stolz nicht empfinden zu können. Und so bleibt die Frage: Liegt es daran, dass ich innerlich noch toter als Ada bin oder daran, dass ich mit der Bindung an einen Verlag mein Baby verkaufte? Der Titel meines Buches stammt nur indirekt von mir, dem Titelbild stimmte ich halbherzig zu, der Text wurde verändert und umgestellt (letztlich wurde der Text dadurch erst zugänglich!) und bei der Pressearbeit und dem Marketing habe ich mich nicht wirklich eingebracht. Meine Idee, wie der Interessenkonflikt zwischen Urheberrecht, Schreiberling und Partei hätte zusammengebracht werden können, ohne den Eklat auszulösen, der ausgelöst wurde, verhallten in meiner Lethargie und dem Glauben daran, dass der Verlag schon wüsste, was er tut. Ada hat sich dem entzogen. Zu Recht, wie ich nach der Lektüre finde. Dackelkrieg ist ein Buch, das sich nicht den Konventionen einer Welt anbiedert, die wir nur aus Parodien kennen. Das bewundere ich, hatte ich selbst doch den Mut nicht.

(Abgesehen davon, habe ich mich nie mehr verstanden gefühlt, als bei diesem Absatz zur Kelly Family. „Ich war ein Megafan der langhaarigen Familie und ein paar Jahre später war es mir unglaublich peinlich, obwohl ich heute der festen Überzeugung bin, dass die schmuddeligen Inzestmusikanten hinsichtlich Backstreet Boys und Boyzone definitiv das kleinere Übel gewesen sind.“)

Aber warum ließ ich mich überhaupt auf ein Abenteuer ein, das nur im Desater enden konnte? Eigentlich kann ich kaum etwas dazu sagen. Die richtigen Worte für eine bizarre Ereignisfolge zu finden, versuche ich seit Wochen. Ich dachte an einen Podcast (Sorry, an die, die anfragten – es ging nicht!), an einen Blogpost, an einen Vortrag, ein Buch (nein, Scherz). Aber mir fehlen bis heute die richtigen Worte für eine komplexe und verfahrene Sache, die ich nur unzureichend im Voraus geplant hatte.

Denn sich selbst aufrichtig zu beschreiben ist kaum möglich, der Selbstdarstellung wird der Anspruch auf objektive Erzählung geopfert, auf Zugänglichkeit. Fehler werden in Selbstdarstellungen glorifiziert, echte Stärken unter neurotischer Beschreibung versteckt und das Ganze nur unzureichend in Kontext gesetzt. Darüber schreiben, was einer wirklich widerfahren ist – eine Aufgabe, an der ich scheiterte.

Selbstdarstellung und das Scheitern an ihr ist eigentlich auch das zentrale Thema meines Buches, indem es letztlich um das Verlieren des kohärenten Ichs in der totalen Selbstdarstellung geht. Genauso ist auch Dackelkrieg von diesen Überlegungen durchzogen. Aber vielleicht ist das auch nur meine subjektive Wahrnehmung.

Dabei wollte ich eine Erklärung verfassen, nachvollziehbar machen, was eigentlich passiert ist mit mir in diesem Jahr und Internet. Viele fragten mich danach. Im Januar wird nun ein Portrait von mir in einer größeren Zeitung erscheinen. Ein paar Augen werden rollen, Fragen, ob ich denn nichts gelernt habe werden kommen. Häme und Hater – so wie immer. Dennoch, ich habe mich sehr bewusst dafür entschieden einer völlig externen, gelehrnten (sic! ;)) Person meine Seite der Geschichte zu zeigen und es ihr zu überlassen Worte zu finden für etwas, was ich nicht beschreiben kann. So objektiv wie möglich, auch wenn objektiv schmerzhaft sein kann. Letztlich kann ich mich meiner eigenen Geschichte nicht entziehen, mich nicht verstecken.

Was ist nun meine Conclusio der letzten drei Monaten und mit der Lektüre von Dackelkrieg im Hinterkopf? Einem Verlag mit der Produktion meines langersehnten Babys zu beauftragen war wohl eine Mischung aus Gelegenheit-beim-Schopfe-packen-Naivität, Feigheit vor der absoluten Selbstständigkeit inklusive Geldnot und dem Glanz einer professionellen Welt. Der Plan ging nicht auf, das Buch wurde niedergeschrien, ging unter im Krawall unserer Gegenwart. Dackelkrieg geht nun einen anderen Weg und ich hoffe, dass wir(tm) jetzt beweisen können, dass wir(tm) für spannende Bücher auch Geld ausgeben wollen.

Update: Habe versucht ein paar Fehler auszubügeln. Aber der Text ging ohne Korrekturlesung raus – wollte ja den 17. mitnehmen 😉